Günther Ball (Gast) - 6. Aug, 11:31

Liebe Karin,

Ich bin ganz Deiner Ansicht. Auch ich genieße dieses Gefühl jedesmal, wenn ich bei so einer Opernproduktion mitspiele - nicht im Publikum, sondern mittendrin im Geschehen zu sitzen, sich von der Stimmung einhüllen zu lassen, wohlwissend, dass man selbst seinen Teil zu dieser Stimmung beiträgt.

Die größte Motivation mitzumachen hole ich mir dabei in der Zeit vor den Aufführungen - jener Zeit, in der man sich in den Proben an das Stück herantastet, hineinwächst, in der man miterlebt, wie die dahinterstehende Idee (auch durch eigenes Zutun) Gestalt annimmt, in der Tiziano sich bemüht, uns durch viele, oftmals beharrlich wiederholte Korrekturen klarzumachen, dass der musikalische Charakter einer Phrase niemals durch eine unkontrollierte Aneinanderreihung beiläufig gespielter Töne zum Ausdruck kommen kann. Seine Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Musik und Handlung geben mir oftmals orientierungslosem Mitspieler erst eine Vorstellung davon, was eigentlich gespielt wird. Es ist wie beim Puzzle-Spielen: Am lustigsten ist es, bevor das Puzzle fertig ist.

Leider habe ich nicht sehr viel von den Vorbereitungen und dem Geschehen auf und hinter der Bühne mitbekommen. Ich war zu sehr auf meine Aufgabe konzentriert. Was auf der Bühne zu sehen war (mit Ausnahme des pantomimischen Bühnenvorspiels) und wie es dazu kam, ging daher ziemlich an mir vorbei. Erst beim Betrachten der Poster über das Bewegungsensemble und danach beim Lesen Deiner (oder eigentlich Eurer) ausführlichen und bewegten Schilderungen im Weblog habe ich eine Ahnung davon bekommen, was sich schon seit zwei Monaten bei Euch und vor allem in Euren Gemütern abgespielt hat. Ich kenne das von einem Kommunikationsseminar in meiner Firma: diese anfängliche Orientierungslosigkeit, diese Begeisterung für eine Sache wegen/trotz des persönlich ungewissen Ausgangs, diese Intensität des Miteinander, die man bei der Bewältigung einer völlig neuen, aber spannenden (Gruppen-)Aufgabe unter ungewohnten Bedingungen erlebt und die man dann bei späterer Reflexion nur mehr schwer nachvollziehen kann.

Beim Durchlesen der Weblog-Einträge habe ich mich anfänglich etwas über die Länge der Vorbereitungsphase und die Art der Übungen gewundert, bis mir klar wurde, dass ein Piratenschiff nicht einfach nur entsteht, indem der Regisseur Leute zentimetergenau auf der Bühne positioniert und dann sagt: "Merkt Euch die Stelle!" - das wäre eben wie Spielen von Tönen an Töne - dass also nicht nur Positionen auf der Bühne eingeübt werden müssen, sondern, genauso wie in den Orchesterproben, auch eine gewisse Flexibilität oder besser Geschmeidigkeit, um auf unvorhergesehene Situationen selbstsicher und natürlich reagieren zu können ohne hektisch zu werden beziehungsweise Spontanität und somit Lebendigkeit in der Darbietung überhaupt erst möglich zu machen.

Deine im nächsten Eintrag geschilderten Eindrücke von der ersten Bühnenorchesterprobe als ersten großen Moment der Wahrheit kann ich nur teilen, auch wenn sich die Situationen für uns im Orchester naturgemäß weniger dramatisch ändert. Eine wichtige und interessante Erfahrung ist es aber jedesmal zu sehen, ob und wie der nebeneinander erarbeitete musikalische und szenische Teil sich auf Anhieb zu einem Ganzen zusammenfügen lassen, welche Orchesterpassagen trotz der nunmehr geteilten Aufmerksamkeit Tizianos halten oder wo es bröselt. Die anfängliche Unsicherheit, aus der Fülle an Signalen, die er jetzt für alle Mitwirkenden aussendet, diejenigen herauszufiltern, die einen unmittelbar betreffen, weicht schließlich der Erkenntnis, dass man ohnehin auf alle Signale achten muss, möchte man nicht unversehens irgendwo "drinnenliegen". Der Ausdruck in seinem Gesicht ist dabei eine spontane Erinnerungshilfe für das, was er uns in den Proben an Phrasierung und musikalischem Ausdruck versucht hat näherzubringen. Zusätzlich erzeugt er damit jene für alle sichtbare und spürbare Spannung, die zur Aufrechterhaltung der Konzentration und Aufmerksamkeit jedes einzelnen für die Dauer einer Aufführung notwendig ist.

Bleibt zu hoffen, dass Du auch alle weiteren Aufführung nach der Premiere so stimmungsvoll erlebt hast. Zumindest hat Tiziano mit einer Orchestereinspielprobe und einer kurzen Ansprache vor jeder Aufführung dafür gesorgt, dass wir immer rechtzeitig in Stimmung kommen.

Günther

Karin O. (Gast) - 15. Aug, 15:27

Lieber Günther,

herzlichen Dank für Dein wunderbares Puzzleteil, das aus so unerwarteter Richtung eine so wertvolle Ergänzung für das Gesamtbild ist!! Ein wenig beschämt war ich ja schon, als ich gemerkt hab, wie wenig Augenmerk ich bei meinen Erzählungen auf den musikalischen Part der Produktion gelegt hab. Dabei war es ja die Musik, die uns alle auf der Bühne getragen hat (vom Vorspiel abgesehen, das aufgrund der „Stummheit“ der Szene zwar auch eine ganz besondere Erfahrung war, die ich aber irgendwie einer eigenen Kategorie zuordnen würde).

Ich finde es schön, wie Du Dein Zugang-Finden zum Stück beschreibst und kann das sehr gut nachempfinden – was Tiziano für Euch im Orchester war, war Stephan für uns auf der Bühne. Trotzdem würde ich mir im Nachhinein wünschen, wir hätten während der Proben etwas mehr Berührungspunkte mit der Musik gehabt. Geplant war es zwar – Tiziano hat uns sogar einmal angeboten, die Oper gemeinsam mit ihm auf CD anzuhören, das wäre sicher eine große zusätzliche Bereicherung gewesen – leider hat das dann aber, vermutlich aus Zeitgründen, nicht stattgefunden. Tatsache ist, dass ich (meine Wahrnehmung!) ziemlich lange gebraucht hab, bis ich den musikalischen Part genießen konnte. Klarerweise (ein Tiziano-Wort ;-) war meine Aufmerksamkeit anfangs hauptsächlich darauf gerichtet, mir die Passagen einzuprägen, die für unsere Handlungseinsätze relevant waren – war nicht immer ganz einfach. Dann waren wir natürlich voll auf unser Agieren konzentriert. Erst mit den Aufführungen nach der Premiere und dem mit der zunehmenden Routine verbundenen gesteigerten Entspannungsvermögen auf der Bühne war es dann möglich, sich dem Genuss dessen, „was die Töne in einem erzeugen“, verstärkt hinzugeben. Ich könnte im Nachhinein noch jede Stelle benennen, wo mir (und nicht nur mir!) angesichts der wundervollen Klänge und Stimmungen regelrecht die Haare zu Berge gestanden sind. Ein bisschen, muss ich gestehen, beneide ich Dich und alle, die stimmlich und instrumental mitgewirkt haben um dieses „erhabene“ Gefühl, ein gemeinsames „Klanggebäude“ entstehen zu lassen – ich kenne das vom Chorsingen und habe es in dieser Intensität danach nie wieder erlebt. Aber alles zugleich geht nun mal nicht, ich habe etwas Neues kennen lernen dürfen, und ich fühle mich nach diesen zwei Monaten so beschenkt, dass ich eigentlich nur dankbar bin.

In diesem Sinne: Auf all die schönen Erfahrungen, die noch darauf warten, gemacht zu werden…

Karin

Name

Url

Meine Eingaben merken?

Titel:

Text:


JCaptcha - du musst dieses Bild lesen können, um das Formular abschicken zu können
Neues Bild

 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Aktuelle Beiträge

AUFLÖSUNG DER STAMMTISCHRUNDE
Hallo meine Lieben, aufgrund von mangelndem Interesse,...
cea - 9. Feb, 15:41
STAMMTISCHRUNDE JANUAR
Hallo ihr Lieben, STAMMTISCH: am Mittwoch, den 14....
cea - 5. Jan, 13:35
STAMMTISCHRUNDE DEZEMBER
Hallo ihr Lieben, STAMMTISCH: am Mittwoch, den 10....
cea - 18. Nov, 16:52

KOMMENDE PERFORMANCES

Über "Il Corsaro"

Das Bewegungsensemble der Opernaufführung "Il Corsaro" (eine Produktion der Opernwerkstatt Wien, Juli 2007) stellt sich vor und berichtet über die laufenden Probearbeiten; Premiere: Freitag, der 13.7.2007 in der Rossauerkaserne Wien

Web Counter-Modul

Counter

Suche

 


Radiosendungen
Stammtischtermine
Tanz die Toleranz
Veranstaltungen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren