(v. Karin Ortner)
Spannung liegt in der Luft. Was sich dramaturgisch im Verlauf der Handlung der Oper mehr und mehr zuspitzt, findet auch in der Befindlichkeit unserer Ensemblemitglieder seinen Niederschlag. Was auch immer es im Einzelfall ist, das durch das Geschehen in Schwingung gebracht wird – wir sind mittlerweile fast täglich konfrontiert mit kleineren oder größeren persönlichen Dramen, mit denen wir versuchen zurechtzukommen. Es häufen sich Krankenstände, offene Aggressions- und heimliche Tränenausbrüche, Anfälle von Überdrehtheit und völliger Verwirrtheit. Hier laufen viele Filme gleichzeitig ab! Jeden adäquat „aufzufangen“ ist in diesem Rahmen auch für das Team der Sozialarbeiter kaum möglich. Außerdem ist es nicht immer einfach, anderen Hilfestellungen zu geben, wenn man selbst Länge mal Breite gefordert wird. Nach dem Ausfall von Raoul steht nun auch fest, dass Katharina nicht mehr rechtzeitig aus ihrem Krankenstand zurückkehren wird. Wir bedauern das sehr!!
Nichtsdestotrotz nimmt aber auch die allgemeine Faszination und Begeisterung für das Gesamtkunstwerk unaufhaltsam zu. Es ist kaum zu beschreiben, wie schön es ist, einer Produktion wie dieser beim wachsen zuzusehen und gleichzeitig ein Teil von ihr zu sein! Diesen Prozess miterleben zu dürfen mit all den erheiternden, aufregenden, anstrengenden und berührenden Momenten, die ihn so lebendig machen, kann niemals gleichzusetzen sein mit der reinen Konsumation eines (wenn auch noch so perfekten und aufwendigen) künstlerischen Endergebnisses, selbst wenn alle wie besessen darauf hinarbeiten. Es ist anzunehmen, dass niemand in unserem Ensemble seinen Platz gegen den besten Sitzplatz auf der Zuschauertribüne eintauschen würde!
Die Highlights des heutigen intensiven Probetages (für unser Ensemble ausnahmsweise in zwei Etappen) sind alle Berührungspunkte zwischen Gesangs- und Bewegungschor, die bis jetzt noch eher ein Gefühl von „Nebeneinander“ anstatt „Miteinander“ hinterlassen. Während die einen von Stephan darauf getrimmt werden, dass sie auf der Bühne nicht nur zu hören sondern auch zu sehen sind und dementsprechend ihren Rollen gemäß auch dreinschauen und körperliche Bühnenpräsenz zeigen sollen, müssen die anderen (das wären dann wir) lernen, dass Sänger nun mal ein Interesse daran haben, ihren Dirigenten zu sehen, weswegen verschiedene einstudierte Formationen etwas adaptiert werden müssen. Außerdem haben wir die Anweisung, den slowakischen Damen und Herren – nicht grob aber bestimmt – ihre Plätze zuzuweisen (bei den Schiffsszenen beispielsweise), was Mut erfordert, und was man vor allem dann nicht gerne macht, wenn man gerade selbst wie ein personifiziertes Fragezeichen auf der Bühne steht. Immerhin sind alle sehr fasziniert voneinander: Die Chorsängerinnen, die bei der großen Spiegelszene von uns zum Schminken angeführt werden und dabei ihre Einsätze „verschlafen“ ebenso wie wir, die wir von ihrem Gesang so angetan sind, dass wir vor lauter zuhören nicht zur rechten Zeit am rechten Platz sind.
Viele Abläufe wurden überdies bis jetzt noch nie in „Echtzeit“ durchgespielt. Spätestens heute wird klar, dass wir an manchen Stellen verdammt schnell sein müssen, wenn wir am einen Ende der Bühne abgehen und kurz darauf auf der gegenüberliegenden Seite wieder auftreten sollen. Wie das dann noch funktionieren soll, wenn wir uns in dieser kurzen Zeit auch noch umzuziehen haben – vom Schatten der Medora beispielsweise zur Haremsdame und gleich danach zum osmanischen Soldaten - ! – nein ehrlich, das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellbar!
Wenn man nun bedenkt, dass es in etwa 80 Leute sind, die sich allein auf der Bühne zu einem sinnvollen und erbaulichen Ganzen zusammenfügen sollen, wenn man weiters bedenkt, dass das alles dreisprachig, in knappest bemessener Zeit und in Abhängikeit vom Wetter geschehen muss, dann ist man geneigt, vor Stephan den Hut zu ziehen, der dieses Kunststück offenbar zu vollbringen versteht. Was dieser Mann alles zur gleichen Zeit im Blick haben und nach allen möglichen Kriterien auf seine Bühnentauglichkeit überprüfen muss! - Hier gähnt jemand; dort hat sich zum wiederholten Mal der klassische Hüftknick beim Stehen aus dem Alltagsleben eingeschlichen; wie ist zu bewerkstelligen, dass innerhalb von wenigen Takten zwei Chöre die Nadelöhre von Bühnenaufgängen passieren; wie viel Wind ist den kostbaren Körperinstrumenten der Solisten zuzumuten ohne dass man die ganze Produktion in Gefahr bringt; da vernichtet jemand die gesamte Bühnenspannung durch Kaugummi Kauen; die Folterszene muss neu choreographiert werden; Giovanni möge doch den Giftkelch der Medora mit etwas mehr Dramatik in Händen halten und weniger wie ein Nutellaglas; ein bisschen mehr amicale Stimmung zwischen den Bewegungschorfrauen in Soldatengewändern und den slowakisch-osmanischen Tenören…
Das Ergebnis ist beeindruckend: 80 Leute bewegen sich – wie Marionetten von unsichtbaren Fäden gezogen – durch das Bühnengeschehen. Und wo sie es nicht tun, da sorgen klare Anweisungen für Korrekturen, messerscharfe oder wohlwollende Blicke und Gesten für wortlose Verständigung, geschickt getimte humorvolle Einlagen für den nötigen Draht zu jeder einzelnen Persönlichkeit - auf dass sich jeder ernst genommen fühle, gewürdigt und respektiert, auf dass aber auch niemand in Zweifel ziehen möge, dass er sich unterzuordnen hat - und dass hier vorerst nur einer die Richtung bestimmt!
Nichtsdestotrotz nimmt aber auch die allgemeine Faszination und Begeisterung für das Gesamtkunstwerk unaufhaltsam zu. Es ist kaum zu beschreiben, wie schön es ist, einer Produktion wie dieser beim wachsen zuzusehen und gleichzeitig ein Teil von ihr zu sein! Diesen Prozess miterleben zu dürfen mit all den erheiternden, aufregenden, anstrengenden und berührenden Momenten, die ihn so lebendig machen, kann niemals gleichzusetzen sein mit der reinen Konsumation eines (wenn auch noch so perfekten und aufwendigen) künstlerischen Endergebnisses, selbst wenn alle wie besessen darauf hinarbeiten. Es ist anzunehmen, dass niemand in unserem Ensemble seinen Platz gegen den besten Sitzplatz auf der Zuschauertribüne eintauschen würde!
Die Highlights des heutigen intensiven Probetages (für unser Ensemble ausnahmsweise in zwei Etappen) sind alle Berührungspunkte zwischen Gesangs- und Bewegungschor, die bis jetzt noch eher ein Gefühl von „Nebeneinander“ anstatt „Miteinander“ hinterlassen. Während die einen von Stephan darauf getrimmt werden, dass sie auf der Bühne nicht nur zu hören sondern auch zu sehen sind und dementsprechend ihren Rollen gemäß auch dreinschauen und körperliche Bühnenpräsenz zeigen sollen, müssen die anderen (das wären dann wir) lernen, dass Sänger nun mal ein Interesse daran haben, ihren Dirigenten zu sehen, weswegen verschiedene einstudierte Formationen etwas adaptiert werden müssen. Außerdem haben wir die Anweisung, den slowakischen Damen und Herren – nicht grob aber bestimmt – ihre Plätze zuzuweisen (bei den Schiffsszenen beispielsweise), was Mut erfordert, und was man vor allem dann nicht gerne macht, wenn man gerade selbst wie ein personifiziertes Fragezeichen auf der Bühne steht. Immerhin sind alle sehr fasziniert voneinander: Die Chorsängerinnen, die bei der großen Spiegelszene von uns zum Schminken angeführt werden und dabei ihre Einsätze „verschlafen“ ebenso wie wir, die wir von ihrem Gesang so angetan sind, dass wir vor lauter zuhören nicht zur rechten Zeit am rechten Platz sind.
Viele Abläufe wurden überdies bis jetzt noch nie in „Echtzeit“ durchgespielt. Spätestens heute wird klar, dass wir an manchen Stellen verdammt schnell sein müssen, wenn wir am einen Ende der Bühne abgehen und kurz darauf auf der gegenüberliegenden Seite wieder auftreten sollen. Wie das dann noch funktionieren soll, wenn wir uns in dieser kurzen Zeit auch noch umzuziehen haben – vom Schatten der Medora beispielsweise zur Haremsdame und gleich danach zum osmanischen Soldaten - ! – nein ehrlich, das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellbar!
Wenn man nun bedenkt, dass es in etwa 80 Leute sind, die sich allein auf der Bühne zu einem sinnvollen und erbaulichen Ganzen zusammenfügen sollen, wenn man weiters bedenkt, dass das alles dreisprachig, in knappest bemessener Zeit und in Abhängikeit vom Wetter geschehen muss, dann ist man geneigt, vor Stephan den Hut zu ziehen, der dieses Kunststück offenbar zu vollbringen versteht. Was dieser Mann alles zur gleichen Zeit im Blick haben und nach allen möglichen Kriterien auf seine Bühnentauglichkeit überprüfen muss! - Hier gähnt jemand; dort hat sich zum wiederholten Mal der klassische Hüftknick beim Stehen aus dem Alltagsleben eingeschlichen; wie ist zu bewerkstelligen, dass innerhalb von wenigen Takten zwei Chöre die Nadelöhre von Bühnenaufgängen passieren; wie viel Wind ist den kostbaren Körperinstrumenten der Solisten zuzumuten ohne dass man die ganze Produktion in Gefahr bringt; da vernichtet jemand die gesamte Bühnenspannung durch Kaugummi Kauen; die Folterszene muss neu choreographiert werden; Giovanni möge doch den Giftkelch der Medora mit etwas mehr Dramatik in Händen halten und weniger wie ein Nutellaglas; ein bisschen mehr amicale Stimmung zwischen den Bewegungschorfrauen in Soldatengewändern und den slowakisch-osmanischen Tenören…
Das Ergebnis ist beeindruckend: 80 Leute bewegen sich – wie Marionetten von unsichtbaren Fäden gezogen – durch das Bühnengeschehen. Und wo sie es nicht tun, da sorgen klare Anweisungen für Korrekturen, messerscharfe oder wohlwollende Blicke und Gesten für wortlose Verständigung, geschickt getimte humorvolle Einlagen für den nötigen Draht zu jeder einzelnen Persönlichkeit - auf dass sich jeder ernst genommen fühle, gewürdigt und respektiert, auf dass aber auch niemand in Zweifel ziehen möge, dass er sich unterzuordnen hat - und dass hier vorerst nur einer die Richtung bestimmt!
tante_ka - 8. Jul, 10:25
Günther Ball (Gast) - 6. Aug, 11:31
Liebe Karin,
Ich bin ganz Deiner Ansicht. Auch ich genieße dieses Gefühl jedesmal, wenn ich bei so einer Opernproduktion mitspiele - nicht im Publikum, sondern mittendrin im Geschehen zu sitzen, sich von der Stimmung einhüllen zu lassen, wohlwissend, dass man selbst seinen Teil zu dieser Stimmung beiträgt.
Die größte Motivation mitzumachen hole ich mir dabei in der Zeit vor den Aufführungen - jener Zeit, in der man sich in den Proben an das Stück herantastet, hineinwächst, in der man miterlebt, wie die dahinterstehende Idee (auch durch eigenes Zutun) Gestalt annimmt, in der Tiziano sich bemüht, uns durch viele, oftmals beharrlich wiederholte Korrekturen klarzumachen, dass der musikalische Charakter einer Phrase niemals durch eine unkontrollierte Aneinanderreihung beiläufig gespielter Töne zum Ausdruck kommen kann. Seine Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Musik und Handlung geben mir oftmals orientierungslosem Mitspieler erst eine Vorstellung davon, was eigentlich gespielt wird. Es ist wie beim Puzzle-Spielen: Am lustigsten ist es, bevor das Puzzle fertig ist.
Leider habe ich nicht sehr viel von den Vorbereitungen und dem Geschehen auf und hinter der Bühne mitbekommen. Ich war zu sehr auf meine Aufgabe konzentriert. Was auf der Bühne zu sehen war (mit Ausnahme des pantomimischen Bühnenvorspiels) und wie es dazu kam, ging daher ziemlich an mir vorbei. Erst beim Betrachten der Poster über das Bewegungsensemble und danach beim Lesen Deiner (oder eigentlich Eurer) ausführlichen und bewegten Schilderungen im Weblog habe ich eine Ahnung davon bekommen, was sich schon seit zwei Monaten bei Euch und vor allem in Euren Gemütern abgespielt hat. Ich kenne das von einem Kommunikationsseminar in meiner Firma: diese anfängliche Orientierungslosigkeit, diese Begeisterung für eine Sache wegen/trotz des persönlich ungewissen Ausgangs, diese Intensität des Miteinander, die man bei der Bewältigung einer völlig neuen, aber spannenden (Gruppen-)Aufgabe unter ungewohnten Bedingungen erlebt und die man dann bei späterer Reflexion nur mehr schwer nachvollziehen kann.
Beim Durchlesen der Weblog-Einträge habe ich mich anfänglich etwas über die Länge der Vorbereitungsphase und die Art der Übungen gewundert, bis mir klar wurde, dass ein Piratenschiff nicht einfach nur entsteht, indem der Regisseur Leute zentimetergenau auf der Bühne positioniert und dann sagt: "Merkt Euch die Stelle!" - das wäre eben wie Spielen von Tönen an Töne - dass also nicht nur Positionen auf der Bühne eingeübt werden müssen, sondern, genauso wie in den Orchesterproben, auch eine gewisse Flexibilität oder besser Geschmeidigkeit, um auf unvorhergesehene Situationen selbstsicher und natürlich reagieren zu können ohne hektisch zu werden beziehungsweise Spontanität und somit Lebendigkeit in der Darbietung überhaupt erst möglich zu machen.
Deine im nächsten Eintrag geschilderten Eindrücke von der ersten Bühnenorchesterprobe als ersten großen Moment der Wahrheit kann ich nur teilen, auch wenn sich die Situationen für uns im Orchester naturgemäß weniger dramatisch ändert. Eine wichtige und interessante Erfahrung ist es aber jedesmal zu sehen, ob und wie der nebeneinander erarbeitete musikalische und szenische Teil sich auf Anhieb zu einem Ganzen zusammenfügen lassen, welche Orchesterpassagen trotz der nunmehr geteilten Aufmerksamkeit Tizianos halten oder wo es bröselt. Die anfängliche Unsicherheit, aus der Fülle an Signalen, die er jetzt für alle Mitwirkenden aussendet, diejenigen herauszufiltern, die einen unmittelbar betreffen, weicht schließlich der Erkenntnis, dass man ohnehin auf alle Signale achten muss, möchte man nicht unversehens irgendwo "drinnenliegen". Der Ausdruck in seinem Gesicht ist dabei eine spontane Erinnerungshilfe für das, was er uns in den Proben an Phrasierung und musikalischem Ausdruck versucht hat näherzubringen. Zusätzlich erzeugt er damit jene für alle sichtbare und spürbare Spannung, die zur Aufrechterhaltung der Konzentration und Aufmerksamkeit jedes einzelnen für die Dauer einer Aufführung notwendig ist.
Bleibt zu hoffen, dass Du auch alle weiteren Aufführung nach der Premiere so stimmungsvoll erlebt hast. Zumindest hat Tiziano mit einer Orchestereinspielprobe und einer kurzen Ansprache vor jeder Aufführung dafür gesorgt, dass wir immer rechtzeitig in Stimmung kommen.
Günther
Ich bin ganz Deiner Ansicht. Auch ich genieße dieses Gefühl jedesmal, wenn ich bei so einer Opernproduktion mitspiele - nicht im Publikum, sondern mittendrin im Geschehen zu sitzen, sich von der Stimmung einhüllen zu lassen, wohlwissend, dass man selbst seinen Teil zu dieser Stimmung beiträgt.
Die größte Motivation mitzumachen hole ich mir dabei in der Zeit vor den Aufführungen - jener Zeit, in der man sich in den Proben an das Stück herantastet, hineinwächst, in der man miterlebt, wie die dahinterstehende Idee (auch durch eigenes Zutun) Gestalt annimmt, in der Tiziano sich bemüht, uns durch viele, oftmals beharrlich wiederholte Korrekturen klarzumachen, dass der musikalische Charakter einer Phrase niemals durch eine unkontrollierte Aneinanderreihung beiläufig gespielter Töne zum Ausdruck kommen kann. Seine Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Musik und Handlung geben mir oftmals orientierungslosem Mitspieler erst eine Vorstellung davon, was eigentlich gespielt wird. Es ist wie beim Puzzle-Spielen: Am lustigsten ist es, bevor das Puzzle fertig ist.
Leider habe ich nicht sehr viel von den Vorbereitungen und dem Geschehen auf und hinter der Bühne mitbekommen. Ich war zu sehr auf meine Aufgabe konzentriert. Was auf der Bühne zu sehen war (mit Ausnahme des pantomimischen Bühnenvorspiels) und wie es dazu kam, ging daher ziemlich an mir vorbei. Erst beim Betrachten der Poster über das Bewegungsensemble und danach beim Lesen Deiner (oder eigentlich Eurer) ausführlichen und bewegten Schilderungen im Weblog habe ich eine Ahnung davon bekommen, was sich schon seit zwei Monaten bei Euch und vor allem in Euren Gemütern abgespielt hat. Ich kenne das von einem Kommunikationsseminar in meiner Firma: diese anfängliche Orientierungslosigkeit, diese Begeisterung für eine Sache wegen/trotz des persönlich ungewissen Ausgangs, diese Intensität des Miteinander, die man bei der Bewältigung einer völlig neuen, aber spannenden (Gruppen-)Aufgabe unter ungewohnten Bedingungen erlebt und die man dann bei späterer Reflexion nur mehr schwer nachvollziehen kann.
Beim Durchlesen der Weblog-Einträge habe ich mich anfänglich etwas über die Länge der Vorbereitungsphase und die Art der Übungen gewundert, bis mir klar wurde, dass ein Piratenschiff nicht einfach nur entsteht, indem der Regisseur Leute zentimetergenau auf der Bühne positioniert und dann sagt: "Merkt Euch die Stelle!" - das wäre eben wie Spielen von Tönen an Töne - dass also nicht nur Positionen auf der Bühne eingeübt werden müssen, sondern, genauso wie in den Orchesterproben, auch eine gewisse Flexibilität oder besser Geschmeidigkeit, um auf unvorhergesehene Situationen selbstsicher und natürlich reagieren zu können ohne hektisch zu werden beziehungsweise Spontanität und somit Lebendigkeit in der Darbietung überhaupt erst möglich zu machen.
Deine im nächsten Eintrag geschilderten Eindrücke von der ersten Bühnenorchesterprobe als ersten großen Moment der Wahrheit kann ich nur teilen, auch wenn sich die Situationen für uns im Orchester naturgemäß weniger dramatisch ändert. Eine wichtige und interessante Erfahrung ist es aber jedesmal zu sehen, ob und wie der nebeneinander erarbeitete musikalische und szenische Teil sich auf Anhieb zu einem Ganzen zusammenfügen lassen, welche Orchesterpassagen trotz der nunmehr geteilten Aufmerksamkeit Tizianos halten oder wo es bröselt. Die anfängliche Unsicherheit, aus der Fülle an Signalen, die er jetzt für alle Mitwirkenden aussendet, diejenigen herauszufiltern, die einen unmittelbar betreffen, weicht schließlich der Erkenntnis, dass man ohnehin auf alle Signale achten muss, möchte man nicht unversehens irgendwo "drinnenliegen". Der Ausdruck in seinem Gesicht ist dabei eine spontane Erinnerungshilfe für das, was er uns in den Proben an Phrasierung und musikalischem Ausdruck versucht hat näherzubringen. Zusätzlich erzeugt er damit jene für alle sichtbare und spürbare Spannung, die zur Aufrechterhaltung der Konzentration und Aufmerksamkeit jedes einzelnen für die Dauer einer Aufführung notwendig ist.
Bleibt zu hoffen, dass Du auch alle weiteren Aufführung nach der Premiere so stimmungsvoll erlebt hast. Zumindest hat Tiziano mit einer Orchestereinspielprobe und einer kurzen Ansprache vor jeder Aufführung dafür gesorgt, dass wir immer rechtzeitig in Stimmung kommen.
Günther
Karin O. (Gast) - 15. Aug, 15:27
Lieber Günther,
herzlichen Dank für Dein wunderbares Puzzleteil, das aus so unerwarteter Richtung eine so wertvolle Ergänzung für das Gesamtbild ist!! Ein wenig beschämt war ich ja schon, als ich gemerkt hab, wie wenig Augenmerk ich bei meinen Erzählungen auf den musikalischen Part der Produktion gelegt hab. Dabei war es ja die Musik, die uns alle auf der Bühne getragen hat (vom Vorspiel abgesehen, das aufgrund der „Stummheit“ der Szene zwar auch eine ganz besondere Erfahrung war, die ich aber irgendwie einer eigenen Kategorie zuordnen würde).
Ich finde es schön, wie Du Dein Zugang-Finden zum Stück beschreibst und kann das sehr gut nachempfinden – was Tiziano für Euch im Orchester war, war Stephan für uns auf der Bühne. Trotzdem würde ich mir im Nachhinein wünschen, wir hätten während der Proben etwas mehr Berührungspunkte mit der Musik gehabt. Geplant war es zwar – Tiziano hat uns sogar einmal angeboten, die Oper gemeinsam mit ihm auf CD anzuhören, das wäre sicher eine große zusätzliche Bereicherung gewesen – leider hat das dann aber, vermutlich aus Zeitgründen, nicht stattgefunden. Tatsache ist, dass ich (meine Wahrnehmung!) ziemlich lange gebraucht hab, bis ich den musikalischen Part genießen konnte. Klarerweise (ein Tiziano-Wort ;-) war meine Aufmerksamkeit anfangs hauptsächlich darauf gerichtet, mir die Passagen einzuprägen, die für unsere Handlungseinsätze relevant waren – war nicht immer ganz einfach. Dann waren wir natürlich voll auf unser Agieren konzentriert. Erst mit den Aufführungen nach der Premiere und dem mit der zunehmenden Routine verbundenen gesteigerten Entspannungsvermögen auf der Bühne war es dann möglich, sich dem Genuss dessen, „was die Töne in einem erzeugen“, verstärkt hinzugeben. Ich könnte im Nachhinein noch jede Stelle benennen, wo mir (und nicht nur mir!) angesichts der wundervollen Klänge und Stimmungen regelrecht die Haare zu Berge gestanden sind. Ein bisschen, muss ich gestehen, beneide ich Dich und alle, die stimmlich und instrumental mitgewirkt haben um dieses „erhabene“ Gefühl, ein gemeinsames „Klanggebäude“ entstehen zu lassen – ich kenne das vom Chorsingen und habe es in dieser Intensität danach nie wieder erlebt. Aber alles zugleich geht nun mal nicht, ich habe etwas Neues kennen lernen dürfen, und ich fühle mich nach diesen zwei Monaten so beschenkt, dass ich eigentlich nur dankbar bin.
In diesem Sinne: Auf all die schönen Erfahrungen, die noch darauf warten, gemacht zu werden…
Karin
herzlichen Dank für Dein wunderbares Puzzleteil, das aus so unerwarteter Richtung eine so wertvolle Ergänzung für das Gesamtbild ist!! Ein wenig beschämt war ich ja schon, als ich gemerkt hab, wie wenig Augenmerk ich bei meinen Erzählungen auf den musikalischen Part der Produktion gelegt hab. Dabei war es ja die Musik, die uns alle auf der Bühne getragen hat (vom Vorspiel abgesehen, das aufgrund der „Stummheit“ der Szene zwar auch eine ganz besondere Erfahrung war, die ich aber irgendwie einer eigenen Kategorie zuordnen würde).
Ich finde es schön, wie Du Dein Zugang-Finden zum Stück beschreibst und kann das sehr gut nachempfinden – was Tiziano für Euch im Orchester war, war Stephan für uns auf der Bühne. Trotzdem würde ich mir im Nachhinein wünschen, wir hätten während der Proben etwas mehr Berührungspunkte mit der Musik gehabt. Geplant war es zwar – Tiziano hat uns sogar einmal angeboten, die Oper gemeinsam mit ihm auf CD anzuhören, das wäre sicher eine große zusätzliche Bereicherung gewesen – leider hat das dann aber, vermutlich aus Zeitgründen, nicht stattgefunden. Tatsache ist, dass ich (meine Wahrnehmung!) ziemlich lange gebraucht hab, bis ich den musikalischen Part genießen konnte. Klarerweise (ein Tiziano-Wort ;-) war meine Aufmerksamkeit anfangs hauptsächlich darauf gerichtet, mir die Passagen einzuprägen, die für unsere Handlungseinsätze relevant waren – war nicht immer ganz einfach. Dann waren wir natürlich voll auf unser Agieren konzentriert. Erst mit den Aufführungen nach der Premiere und dem mit der zunehmenden Routine verbundenen gesteigerten Entspannungsvermögen auf der Bühne war es dann möglich, sich dem Genuss dessen, „was die Töne in einem erzeugen“, verstärkt hinzugeben. Ich könnte im Nachhinein noch jede Stelle benennen, wo mir (und nicht nur mir!) angesichts der wundervollen Klänge und Stimmungen regelrecht die Haare zu Berge gestanden sind. Ein bisschen, muss ich gestehen, beneide ich Dich und alle, die stimmlich und instrumental mitgewirkt haben um dieses „erhabene“ Gefühl, ein gemeinsames „Klanggebäude“ entstehen zu lassen – ich kenne das vom Chorsingen und habe es in dieser Intensität danach nie wieder erlebt. Aber alles zugleich geht nun mal nicht, ich habe etwas Neues kennen lernen dürfen, und ich fühle mich nach diesen zwei Monaten so beschenkt, dass ich eigentlich nur dankbar bin.
In diesem Sinne: Auf all die schönen Erfahrungen, die noch darauf warten, gemacht zu werden…
Karin
Sehr schön geschrieben
a) Deinen Geschmack getroffen habe und
b) sehe, dass ich nicht für die Fisch schreibe - das wird ja tatsächlich gelesen!